Essay zum Thema: John Locke: An Essay Concerning Human Understanding

Essay zum Thema: John Locke: An Essay Concerning Human Understanding
Diesem Essay möchte folgende Fragestellung zugrunde legen:Was können wir nach Locke wissen und wissen wir, was wir nach Locke wissen können?Um die Fragestellung zu

beantworten, beziehe ich mich auf folgende Textstellen: John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. Peter Nidditch, Oxford 1975, book 2, chapter I, §§ 1-4; book 4, chapter XI, §§ 1-12.

Der englische Philosoph, Pädagoge und Arzt John Locke (1632-1704) möchte dem Leser mit seinem Essay die Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnis näher bringen und die Sicherheit dieser Erkenntnis untersuchen. Er macht sich ebenfalls Gedanken um Ursprung und Umfang des menschlichen Wissens. Vieler seiner in diesen Ausschnitten aufgeführten Argumente richten sich gegen die Auffassungen der Rationalisten (z.B. Descartes ), welche es in Zweifel ziehen, ob man überhaupt Erkenntnisse gewinnen kann.

Nun möchte ich mich dem ersten Teil der Fragestellung widmen:Was können wir nach Locke wissen?Auch wenn man sich nur mit einem kleinen Ausschnitt seines Essays befasst, so wird doch sehr schnell klar, dass es viele kleine Teilfragen sind, die einen der Antwort näher bringen. Denn auch Locke baut seine Theorie vom Ursprung der einfachen Idee zum komplexen Erkenntnisbegriff auf.Unter Idee können vereinfachte Zeichen verstanden werden, welche Entitäten in der Wirklichkeit repräsentieren.Für Locke sind die Ideen der Gegenstand bzw. das Material unseres Denkens. („Idea is the object of thinking.” )Also, wo sieht Locke den Ursprung der Ideen? Nun, wie bereits erwähnt legt Locke dem menschlichen Denken die Ideen zugrunde. Er setzt voraus, dass jeder Mensch sich seines eigenen Denkens und der damit in Verbindung stehenden Ideen bewusst ist. („Every man being conscious to himself that he thinks; and that which his mind is applied about whilst thinking being the ideas that are there” )

Locke sagt, dass das Bewusstsein des Menschen am Anfang mit einem weißen Blatt Papier vergleichbar ist, welches erst beschrieben werden muss und fragt sich weiter, woher die Begriffe und Ideen stammen, mit welchen das Blatt beschrieben werden soll. Woher stammt das Material, mit dem der Verstand des Menschen zur Erkenntnis gelangt? Locke, als Empirist, der er ist, schließt: aus der Erfahrung. („Whence has it all the materials of reason and knowledge? To this I answer, in one word, from experience.” )
Als Quellen der Erkenntnis, denen sämtliche Ideen entspringen nennt er die Sensation und die Reflexion (sensation & reflection). („These two, I say, viz. external material things, as the objects of Sensation, and the operations of our own minds within, as the objects of Reflection, are to me the only originals from whence all our ideas take their beginnings.” ) Unter Sensation versteht Locke, dass von der Außenwelt her alle sinnlich-wahrnehmbaren Entitäten dem Verstand eine Wahrnehmung, ein Bildnis einprägen, wenn sie eben in diesem Augenblick durch unsere Sinnesorgane wahrgenommen werden. Mir kommt da ein Vergleich mit der Stenographie in den Sinn. Um es am Beispiel des leeren Blattes darzustellen:
Ich höre ein Wort und füge dem weißen Blatt Papier das entsprechende Zeichen zu, von welchem ich wieder auf das ausgeschriebene Wort schließen kann. Der Begriff auf dem Blatt enthält das vollständige Wort und ist trotzdem nur ein Zeichen (signum), welches den Rückschluss und die Wiedererkennung ermöglicht.
So verhält es sich nach Locke auch mit den Wahrnehmungen, die unserem Verstand durch jene Entitäten der Außenwelt zugeführt werden. Aus Ihnen treten die Ideen hervor, mit denen der Verstand weiter arbeiten kann und schließen kann.
Zur Reflexion: Locke bezeichnet die Beschäftigung des Verstandes mit den Ideen als Operationen. Durch dieses Verarbeiten der Ideen entstehen wiederum neue Ideen, welche nicht durch Wahrnehmungen der Außenwelt dem Verstand zugeführt werden können. Die Resultate dieser Operationen innerhalb unseres Verstandes sind für Locke unter anderem die verschiedenen Tätigkeiten unseres Verstandes wie wahrnehmen, denken, glauben, schließen etc. Wir bekommen also eine Idee von unserem Innersten selbst, von der Machart, dem System unseres Verstandes („…and all the different actings of our own minds,which we being conscious of, and observing in ourselves, do from these receive into our understandings as distinct ideas as we do from bodies affecting our senses.” ). Dies ist die zweite Quelle.
Dieser Prozess des Wahrnehmens durch Sensation und Reflexion ist der Prozess des Erfahrens. Die verschiedenen Gedankengebäude des Verstandes werden durch das Gewinnen von neuen Ideen ständig ausgebaut und erweitert. Soweit erscheint dies schlüssig.

Gleichzeitig zeigt uns diese Überlegung auch, dass unsere Wahrnehmung in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den wahrnehmbaren Entitäten steht. Wir richten uns nach dem Wahrnehmbaren der Entitäten und nicht die Entitäten nach unserer Wahrnehmung. Dies zeigt auch das Beispiel in book IV, chapter XI, §§4: („ …because those that want the organs of any sense, never can have the ideas belonging to that sense produced in their minds.”) Jemand, der über ein bestimmtes Sinnesorgan nicht verfügt, ist nicht in der Lage, die dem Sinn zugehörigen Wahrnehmungen durch eine andere Quelle zu erfahren.
Während Locke in Buch II dem Leser die Ideen, deren Ursprung und das Verhältnis zwischen Idee und Erkenntnis näher bringt, wendet er sich in Buch IV dem zu, was wir über die Existenz anderer Dinge wissen können.

Hier legt er besonders viel Wert auf Bedeutung von tatsächlicher Sensation und auf die Gewissheit über unser Wissen, bezüglich der Existenz anderer Entitäten. Ich möchte die Frage der Gewissheit hier erst einmal noch zurückstellen und mich mit der tatsächlichen Sensation auseinandersetzen. Locke geht davon aus, dass wir nur die Existenz der äußeren Entitäten erkennen und anderer Wesen erkennen, wenn wir sie gerade tatsächlich wahrnehmen, denn es besteht kein notwendiger Zusammenhang zwischen der Idee von Etwas in unserem Gedächtnis und dessen realer Existenz.
(„ …knowledge of the existence of any other thing we can have only by sensation: for there being no necessary connexion of real existence with any idea a man hath in his memory, …” )

So könnte man sagen, wir können die Idee von einem weißen Blatt Papier aus unserem Gedächtnis heraus unserem Verstand zukommen lassen und unser Verstand kann auch mit dieser Idee arbeiten, aber ob ein weißes Blatt Papier wirklich existiert können wir nur dann sagen, wenn wir auch tatsächlich gerade ein weißes Blatt Papier wahrnehmen. Deutlicher wird es vielleicht auch mit einem Fabelwesen als Beispiel:
Nur weil ich die Idee von einem Einhorn in meinem Verstand habe, existiert nicht notwendigerweise. Dies könnte ich nur dann behaupten, wenn ich auch wirklich ein Einhorn sehen würde.

Neben der Erkenntnis über die Entitäten der Außenwelt gibt es für Locke auch die Kenntnis über das eigene Dasein und die Kenntnis von der Existenz Gottes. Diese beiden Formen der Erkenntnis sind der Gewissheit über das Bestehen von anderen Entitäten überzuordnen und sie werden auch nicht über die Sensation erlangt. Nach Locke erfahren wir über unser eigenes Dasein durch die Intuition und die Existenz Gottes erscheint uns durch die Vernunft schlüssig.

Demnach sind für Locke Intuition und Vernunft die ersten Instanzen, an die sich der Verstand wendet um zu Erkenntnis zu gelangen, da das Wissen um unsere eigene Existenz wohl ein primäres und grundlegendes Bedürfnis des menschlichen Verstandes ist, mit welchem sich derselbe auch sehr früh auseinandersetzt.
Viele von Lockes Argumenten, die in book IV, chapter XI vorkommen, lassen sich als Gegenstand sowohl der ersten Fragestellung (Was können wir nach Locke wissen?) als auch der zweiten Fragestellung (Wissen wir, was wir nach Locke wissen können?) zuordnen. Ich tendiere an dieser Stelle eher zur zweiten Fragestellung, da es sich um Gedankengänge handelt, welche – im Gegensatz zu Lockes Auffassung zu dem Begriff Idee – die Thesen der Opposition (z.B. die Rationalisten, Skeptiker) widerlegen sollen; Gleichzeitig bieten sie dem Leser allerdings auch einen Ansatzpunkt Lockes Thesen zu hinterfragen.

So beweißt Locke doch in gerade in §§2 und §§3, chapter XI auch Mut, indem er argumentiert, dass die Gewissheit über die Erkenntnisse durch Sensation nicht gleichwertig ist mit der Gewissheit einer mathematischen Demonstration. Dennoch behauptet er, dass auch die Gewissheit, welche man auf der Zuversicht den eigenen Sinnen gegenüber aufbaut, eine Gewissheit ist, welche durchaus als Wissen bezeichnet werden darf.

Wenn auch nicht gleichwertig, so ist es doch zumindest eine Gewissheit, die, wie mir scheint, eine intuitive Gewissheit darstellt.
Diese Art der Zuversicht, ist das höchste Maß an Gewissheit, die wir über unsere Erkenntnisse haben können („This is certain: the confidence that our faculties do not herein deceive us, is the greatest assurance we are capable of concerning the existence of material beings.” ).
Die zweite Fragestellung hat für mich einen doch sehr rhetorischen Charakter. Ich sehe doch ein Problem darin Beweise dafür zu finden, dass Locke entweder falsch oder richtig mit seiner Erkenntnistheorie liegt. Allerdings gilt es, die von §§4-7 aufgeführten Gründe zu prüfen und sie als stichhaltig zu betrachten oder ein Gegenargument zu finden.

§§4: Locke sagt hier noch einmal aus, dass Wahrnehmungen, durch äußere Ursachen erzeugt, zu uns gelangen. Denn wir sind durch unsere Sinnesorgane fähig diese in unseren Verstand aufzunehmen. So folgert er weiter, dass es nur logisch schlüssig ist, wenn es bei einem Ausfall unserer Sinnesorgane unmöglich ist, dass die Wahrnehmungen Zutritt zu unserem Verstand finden. Sollte also ein bestimmtes Sinnesorgan bei einem Menschen nicht mehr funktionieren, so ist er nicht mehr in der Lage Wahrnehmungen durch dessen zugehörigen Sinn in den Verstand aufzunehmen und eine Idee von dem sinnlich-wahrnehmbaren Objekt zu entwickeln. Sprichwörtlich in einem Atemzug erwähnt er, dass die Wahrnehmungen auch nicht von den Sinnesorganen selbst erzeugt werden, denn dies würde bedeuten, dass wir selbst dann wahrnehmen würden, wenn es gar kein sinnlich wahrnehmbares Objekt gibt.

Eine Überlegung, auf welche ich auch noch einmal bezüglich §§8 und §§9 zurückgreifen möchte ist, dass man auch unter einer veränderten Wahrnehmung leiden kann; Sei dies beispielsweise durch Medikamente; Drogen oder in viel einfacheren Fällen durch Kurzsichtigkeit, Schwerhörigkeit etc. .
Was ist nun, wenn ein Mensch rein theoretisch in einer gewissen Entfernung Zahlen vor sich hat und diese aufgrund seiner Kurzsichtigkeit nicht richtig erkennen kann? Er wird ja doch etwas wahrnehmen, aber wahrscheinlich nicht das Gleiche wie Jemand, der hundertprozentige Sehkraft besitzt. Insofern kann der sinnlich-wahrnehmbare Gegenstand -in diesem Fall die Zahl – nicht nur bestimmte Ideen in sich tragen, sondern die Zahl wird ja vielleicht nur wahrgenommen als ein schwarzer Punkt, was seinen Zweck bezüglich der Idee verfremdet. Somit wären die wahrnehmbaren Ideen nicht mehr nur Zahl, schwarz, kursiv oder ähnliches, sondern die Möglichkeit der Wahrnehmungen wird erweitert: Nähert sich dem von ihm betrachteten Punkt, so verwandelt sich die Möglichkeit der Idee Punkt in die Möglichkeit der Idee Zahl. Ich greife damit über den Inhalt von §§4 hinaus, denn was mir hier wichtig erscheint ist die Zuversicht, die man in die aus Lockes Sicht für die Erkenntnis so notwendigen Fähigkeiten der Sinnesorgane legt.
Es erscheint mir merkwürdig, dass unsere Sinnesorgane so anfällig sind, wenn sie doch praktisch das Fundament unserer Erkenntnis ermöglichen: die Ideen.

§§5: Der Grundgedanke dieses Paragraphen ist, dass Ideen dem Verstand förmlich aufgezwungen werden, wenn sie tatsächlich wahrgenommen werden. Im Gegensatz dazu kann der Verstand über Ideen, die bereits vorher wahrgenommen wurden und nun dem Gedächtnis entnommen werden wesentlich freier verfügen.
Eine interessante Frage, die sich hier stellt ist, ob der Verstand – wenn er bei der Erinnerung an beliebige Ideen diese ein- und ausblenden kann – auch dazu in der Lage ist, sich komplett von allen Ideeninhalten zu lösen.

Eine weitere Überlegung wäre, ob die Idee Schwarz sich einem von Geburt aus blindem Menschen aufzwingt und ob man dann doch von einer angeborenen Idee sprechen kann.

§§6 : Dieser Paragraph behandelt das häufige Zusammenkommen von dem Empfinden von Schmerz oder Freude und der Sensation. Bei der Erinnerung an eine z.B. mit Schmerz erzeugten Idee allerdings sagt Locke, dass dieses Gefühl des Schmerzes nicht mehr auftritt. Lockes Anliegen ist es, die Zweifel, dass die Wahrnehmung eine reine Täuschung sei, auszuräumen. So argumentiert er auch in §§7 weiter, dass Schmerz keine bloße Einbildung sei und diejenigen, die Zweifel erheben sich selbst davon überzeugen können, indem sie sich einer mit Schmerz verbundenen Sensation aussetzen.

§§7: Auch in diesem Paragraph die Anführung eines weiteren Grundes dafür, dass man die durch unsere Sinne vermittelten Kenntnisse Wissen nennen kann:
Wir können eine äußere Entität in vielen Fällen nicht nur durch einen Sinn wahrnehmen, sondern unsere Sinne untermauern ihre Zuverlässigkeit gegenseitig. Auch hier erscheint das Beispiel Lockes schlüssig:Wenn jemand Feuer sieht, kann er dessen Existenz wohl noch anzweifeln, aber er kann es auch noch hören und noch wesentlich bedeutender: er kann es fühlen. Der damit verbundene Schmerz lässt nach Locke sollte den vernünftigen Menschen nicht mehr über die wirkliche Existenz des Feuers zweifeln lassen.